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Altkleiderverband: Über neue Gesetze, den Stand des Recyclings und die Vernichtung von Neuware

Von Regina Henkel

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Business|Interview
Hier werden Altkleider sortiert. Bild: bvse

Ab 2025 müssen die Länder der EU ihre Alttextilien getrennt sammeln. Deutschland ist schon gut aufgestellt, schließlich haben wir bereits ein flächendeckendes Sammelsystem. Aber dieses Gesetz ist erst der Anfang. Auf Entsorger und Hersteller kommen noch einige Neuerungen zu.

Rund 1,3 Millionen Tonnen Altkleider fallen jährlich in Deutschland an. Diese Zahl stammt aus dem Jahr 2018, ist aber nach wie vor aktuell, sagt Thomas Fischer, Referent beim bvse - Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V.. Insgesamt ist das Altkleideraufkommen in Deutschland stark gestiegen. Das Statistische Bundesamt gibt für Altkleider aus privaten Haushalten ein Plus von 70 Prozent in zehn Jahren an. Andere Quellen gehen sogar von einer Verdreifachung der Sammelmenge in zwanzig Jahren aus. Nur ein Bruchteil davon landet auf dem deutschen Secondhand-Markt, weil die Nachfrage hierzulande zu gering ist. Der größte Teil wird ins Ausland exportiert. Und immer mehr Altkleider können gar nicht mehr wiederverwendet werden, sondern müssen entsorgt werden. Laut bvse hat sich die Menge, die von den Sammelunternehmen kostenpflichtig entsorgt werden muss, seit 2015 verdoppelt.

Wie steht es also aktuell um den Altkleidermarkt, der im Sinne der Kreislaufwirtschaft auch zur Modeindustrie gehört und sogar immer wichtiger wird? Auf welche Neuerungen stellt sich die Branche ein und was bedeuten diese für die Modebranche insgesamt? Wie steht es um das Recycling von Altkleidern und was genau bedeutet die Vernichtung von Neuware? Darüber sprachen wir mit Thomas Fischer Referent bvse und Sara Staudt, Rechtsreferentin bvse.

Ab 2025 müssen in Deutschland Alttextilien getrennt gesammelt werden. Was ändert sich 2025?

Thomas Fischer: Da muss ich zuerst sagen: Wir haben in Deutschland schon ein funktionierendes System zur Getrenntsammlung von Altkleidern und mit 70 Prozent die höchste Sammelquote gegenüber allen anderen 27 EU-Ländern. Rechnerisch haben wir in Deutschland alle 300 Meter einen Altkleidercontainer stehen, in dem privatwirtschaftliche, karitative oder kommunale Akteure Altkleider sammeln.

Sara Staudt: Die Getrenntsammelpflicht von Textilien wurde 2018 durch die Novelle der EU-Abfallrahmenrichtlinie eingeführt. Dort gibt es einen kleinen Satz dazu, dass bis 2025 Textilien getrennt gesammelt werden sollen. Der Begriff „Richtlinie“ bedeutet, dass dieses EU-Gesetz noch in nationales Recht umgewandelt werden muss. Dabei gibt die EU in der Regel Mindestanforderungen vor, aber keine feste Struktur, nach der wir handeln müssen, sondern lässt einen gewissen Freiraum, wie die EU-Mitgliedsstaaten diese Richtlinie umsetzen.

Mit der Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes im Jahr 2020 wurde in Deutschland diese EU-Getrenntsammlungspflicht von Textilien ab 2025 bereits in die deutsche Gesetzgebung integriert. Insofern sind wir schon gut gerüstet für die Getrenntsammlung.

Sara Staudt, Rechtsreferentin bvse Bild: bvse

Aber so genau wissen Sie das noch nicht, weil die EU noch keine konkreten Anforderungen gestellt hat, richtig?

Sara Staudt: Diese Getrenntsammlungspflicht für Textilien ab 2025 aus der EU sagt erst mal nur: Wir müssen bestimmte Textilien getrennt sammeln. Bis dato hat die EU uns aber noch keine Mindestanforderungen vorgegeben, was sie von dieser Getrenntsammlungspflicht konkret erwartet. Zwar funktioniert das getrennte Sammeln von Textilien in Deutschland bereits gut, aber natürlich behalten wir diese Entwicklung trotzdem im Auge.

Getrennte Sammlung sagt ja noch nichts darüber aus, was mit den Alttextilien gemacht wird. Was hat man davon, dass „nur“ getrennt gesammelt wird?

Sara Staudt: Dadurch, dass wir Textilien in Deutschland getrennt sammeln, haben wir auch keine so hohe Verschmutzung wie gegenüber solchen Textilien, die im normalen Hausmüll entsorgt werden. Insofern kann man die getrennt gesammelten Alttextilien nochmal durch die Wiederverwendung oder das Recycling nutzen. Wenn man nicht getrennt sammeln würde, wäre das schlichtweg unmöglich. Bei einer möglichen Umsetzung der Sortierung aus einem Hausmüllgemisch wäre eine Finanzierung des bis dato für Bürger:innen kostenlosen Sammelsystems nicht mehr gewährleistet.

Sie sagen, dass die Sammelquote in Deutschland EU-weit am höchsten ist. Was heißt es für Sie, wenn jetzt die anderen Länder nachziehen?

Thomas Fischer: Länder wie Portugal, Spanien, Rumänien oder Bulgarien haben noch keine flächendeckende Getrenntsammlung von Textilien. Wenn diese Länder, die bis dato kein Rücknahmesystem und auch keine Getrenntsammlung haben, miteinsteigen, dann wird mehr Menge zur Wiederverwendung und zum Recycling auf den Markt kommen.

Thomas Fischer, Referent bvse Bild: bvse

Wie geht es der Altkleider-Branche gerade?

Thomas Fischer: Sekundärrohstoffe sind immer volatil. Es gibt gute und schlechte Zeiten, im Moment haben wir erneut schwierige Zeiten. Die Situation ist so, dass Verträge, die vor Monaten abgeschlossen wurden, heute bei derzeit sinkenden Vermarkungserlösen von etwa 20 bis 25 Prozent zu Verlusten führen. Somit funktioniert es eben nur bedingt auskömmlich, sprich, traditionell haben wir ein Finanzierungsproblem. Zu den Währungsdifferenzen und dem Zahlungsrücklauf, der sich zum Teil über mehrere Monate erstreckt, gibt es noch zusätzliche Probleme. Der Ukrainekrieg, das Embargo für manche afrikanische Länder mussten gelöst werden, auch in der Pandemie hatten wir das Problem, dass die Lieferketten zusammengebrochen waren - die Herausforderung war also nicht die Sammlung, sondern der Absatz. Solche Dinge gibt es immer wieder, diese Probleme sind zwar für die Branche lösbar, machen aber das Tagesgeschäft nicht einfacher.

Nicht nur durch die weltweite Situation mit Krieg und Inflation, sondern eben auch immer mehr neue Gesetze bereiten Probleme und sind unwägbar. Wir haben einen bunten Strauß an Möglichkeiten, je nachdem was die EU beschließt und Deutschland daraus macht. Erst dann können wir wirklich unseren Mitglieder:innen eine Empfehlung geben. Bis dahin versuchen wir, zu sagen, in Deutschland funktioniert das System, auch mit den Unwägbarkeiten die da sind.

Investitionen und Innovationen in die Zukunft sind aber somit kaum vorstellbar. Hoffnung macht die Ausgestaltung der erweiterten Herstellerverantwortung für den Teil der Altkleider, die nicht vermarket werden können und in der EU höherwertig recycelt werden sollen, um Recyclinginvestitionen realisieren zu können.

Welche Gesetze meinen Sie? Welche Veränderungen sehen Sie noch auf sich zukommen?

Sara Staudt: Gerade wird die EU-Abfallrahmenrichtlinie novelliert, in der die Erweiterte Herstellerverantwortung für Textilien verankert ist. Hierbei geht es darum, dass Hersteller von Anfang an verpflichtet werden, für die Entsorgung ihrer Waren mitzubezahlen. Dann spielen die geplante EU-Ökodesign-Verordnung und der digitale Produktpass eine Rolle. Hier werden vor allem die Hersteller viele neue Prozesse auflegen müssen, die sich letztlich aber auch auf die Recyclingunternehmen auswirken.

Es gibt ja auch noch ein weiteres Gesetz, nämlich das zum Verbot der Neuwarenvernichtung, und ob Recycling als Vernichtung gewertet wird oder nicht. Wie stehen Sie dazu?

Thomas Fischer: Niemand produziert Ware mit dem Ziel, sie zu vernichten. Kaufmännisch gesehen macht das keinen Sinn. Jetzt habe ich unverkaufte Neuware, also Ware, die durchaus noch getragen werden kann. Und die soll ich dem Recycling zuführen? Das kann ja nicht sein. Wir sind natürlich für ein Vernichtungsverbot von unverkaufter Ware, aber dann muss bitte auch eine Möglichkeit geschaffen werden, dass die Unternehmen, die zu viel Ware haben, diese auch dem Zweit- oder Drittmarkt zuführen können. Das würde zwar einigen Leuten keinen Spaß machen, aber ich kann doch kein Produkt zwanghaft dem Recycling zuführen, das noch gebrauchstauglich ist. Das widerspricht auch dem Gedanken des Recyclings. Ich glaube, dass die Inverkehrbringer sehr genau wissen, wie hoch ihre nichtverkauften Anteile sind, deshalb werden sie ihre Produktion wahrscheinlich entsprechend anpassen. Denn auch die Vernichtung oder das Recycling kosten ja etwas. Das wäre auch im Zusammenhang mit der Erweiterten Herstellerverantwortung zu verstehen: Wenn das Kleidungsstück nicht in Verkehr gebracht wird, dann brauche ich dafür auch keine Lizenzgebühren für die Entsorgung zu bezahlen. Im Rahmen des Verpackungsgesetzes gibt es das heute schon, dass man diese Mengen an unverkaufter Ware rausrechnen kann. Aber das weiß ich nicht genau. Und leider sagt ja auch kein Herstellerunternehmen, wie viel unverkaufte Ware es tatsächlich hat.

Ihre Unternehmen sind also nicht diejenigen, die Neuwarenrecycling betreiben würden?

Thomas Fischer: Ich denke nicht, denn es macht mehr Sinn, die Ware auspacken und versuchen, sie noch zu verkaufen. Das ist kaufmännisch gesehen attraktiver als sie zu vernichten. Aber wenn der Hersteller tatsächlich verlangt, dass die Ware vernichtet werden soll, dann wird der Container gar nicht erst ausgepackt und sortiert, sondern geht gleich in die Vernichtung. Das kostet Geld, die Verbrennungspreise hier in Deutschland sind nicht günstig. Deshalb kann ich mir das nicht vorstellen. Abfall ist wie Wasser, es nimmt immer den Weg des geringsten Widerstands oder den günstigsten Weg.

Wie hat sich die Qualität in den Containern verändert?

Thomas Fischer: Ich mache das gerne an einem T-Shirt fest. Vor zehn Jahren hatte ein T-Shirt ganz andere Umlaufraten als heute. Es konnte länger genutzt werden und war qualitativ einfach besser hinsichtlich des Waschens, der Formstabilität, der Farbe, der Haltbarkeit. Heute ist ein T-Shirt viel schneller nicht mehr tragbar. Deshalb kann heute vieles nicht mehr weiterverkauft werden. Sie können in der Sortieranlage zwar nach unterschiedlichen Qualitätsstufen sortieren, aber Marge machen sie nur mit den hochwertigeren Produkten. Und diese hochwertigen Altkleider werden zunehmend nicht mehr in den Container geworfen, sondern von den Konsument:innen selbst über Secondhand Plattformen verkauft. Das macht die Margen für uns natürlich immer kleiner.

Was bedeutet dieser Qualitätsverlust für das Recycling?

Thomas Fischer: Aus einer minderwertigen Faser bekommen sie keine hochwertige Faser. Natürlich möchten wir das Faser-zu-Faser-Recycling, aber uns fehlt der Grundstoff, der dafür geeignet ist. Selbst das Recycling von Polyester funktioniert nur dann sicher, wenn es aus einer PET-Flasche stammt. Diese Verfahren kennen wir seit 15 Jahren, und die sind inzwischen so durchoptimiert, dass sie daraus ein hochwertiges Garn spinnen können. Damit haben wir aber noch kein Kleidungsstück recycelt. Und dann muss man auch die Frage stellen dürfen, ob es überhaupt Sinn macht, Bekleidung zu Bekleidung zu recyceln? Es bringt ja nichts, eine Faser zu entwickeln, die nicht dieselben Eigenschaften hat wie eine neue Faser. Meiner Meinung nach macht das keinen Sinn, weil die Langlebigkeit leidet. Es wäre besser, nach weiteren Möglichkeiten zu suchen, was man aus Altkleidern machen könnte, nicht nur neue Bekleidung.

Zudem ist es so, dass das Polyester aus einer Kunststofflasche - ist es einmal in die Textilindustrie gewandert - nicht mehr für die Flaschenproduktion verwendet werden kann. Die PET-Flaschenindustrie muss aber ab 2025 25 Prozent Rezyklat in ihren Flaschen verwenden, und 2030 sollen es 30 Prozent sein. Das heißt, wenn sie Material an die Textilindustrie verlieren, fehlt es ihnen in ihrer eigenen Quote.

Altkleidercontainer sind in Deutschland flächendeckend aufgestellt.. Bild: bvse

Gibt es inzwischen funktionierende Recycling-Anlagen für Mischfasern auf einem industriellen Niveau?

Thomas Fischer: Die gibt es vereinzelt, beispielsweise in Schweden, oder auch in Italien, gibt es solche Anlagen. Diese Anlagen haben ein hohes industrielles Niveau mit einer gewissen Mengenschwelle, die sie für die Produktion brauchen. Aber die Frage lautet, wie viel neues Garn konnte am Ende tatsächlich aus einem alten Kleidungsstück gewonnen werden? Das weiß ich nicht. Diese Unternehmen gehen jetzt in Vorleistung, in der Hoffnung, in ein paar Jahren mit dieser Technologie die ersten am Markt zu sein. Jeans ist derzeit der größte Stoffstrom weltweit, also werden aus meiner Sicht die ersten Anlagen zum Faser-zu-Faser-Recycling aus dem Jeansbereich kommen. Auch die gibt es bereits. Aber die gehen auch nur zu einem geringen Prozentsatz wieder in neue Kleidungsstücke.

Inzwischen gibt es auch Kleidung aus Monomaterial. Ist das hilfreich?

Thomas Fischer: Das sind Leuchtturmprojekte, diese sind wichtig und haben ihre Berechtigung. Auch Selbstversuche vom Handel, die Kleidung selbst zu sammeln und zu recyceln, sind richtig. Aber zum Thema Monomaterial: Wenn man sich die Bekleidung der letzten 30 Jahre ansieht, ist der reine Baumwollanteil ja nicht gewachsen, im Gegenteil, es gibt immer mehr Mischmaterialien. Es gibt beispielsweise keine schweren Wintermäntel mehr. Würde man hier wieder alles aus Naturfasern machen wollen, bräuchte man viel mehr Material und Ressourcen, um den gleichen Effekt zu erzielen.

Gerade bei Polyester gibt es erste Produkte aus Monomaterial, weil das leichter zu recyceln sei. Erkennt der Sammler denn, dass diese Jacke komplett recycelt werden könnte?

Thomas Fischer: Das muss natürlich erst aufgebaut werden. Ich vergleiche das immer mit dem Kunststoffrecycling von vor 25 Jahren. Da haben sie auch angefangen, die Sachen erst per Hand auszusortieren bis dann die ganze Technik gekommen ist, die alles trennt. Im Moment wird jedes Kleidungsstück zuerst händisch betrachtet. Bis das maschinell gemacht werden kann, dauert es noch Jahre. Die Frage, wie erkennt man diese Jacke aus Monomaterial, wird man in Zukunft lösen müssen. Und hier spreche ich dann auch nicht mehr nur über Textilrecycling, sondern auch über Kunststoffrecycling, da gibt es Schnittmengen. Wenn man sich heute die Sortieranlagen für Textilien und für Kunststoffe anschaut, gibt es da noch gewaltige Unterschiede. Es wird noch einige Zeit dauern, bis es eine Schnittmenge gibt, die beide Ströme zusammenführen kann, das ist technologisch nicht einfach.

Altkleider werden in Ballen verkauft - meistens ins Ausland. Bild: bvse

In den letzten Monaten gab es viele schockierende Berichte darüber, wie afrikanische Länder in unseren Altkleidern versinken. Wie lässt sich das Problem lösen?

Thomas Fischer: Man muss sehen, dass die ganze Welt in ein Land reinliefert – wieviel davon aus Deutschland kommt, wissen wir nicht. Die Exporte unserer Verbandsmitglieder sind georderte Waren. Unsere Händler:innen sagen, dass sie ja nur Ware verkaufen, die dort jemand haben will und auch dafür bezahlt. Sicher ist das größere Problem die Ware aus unbestimmter Herkunft, die oft keiner Regelung unterliegt und dann diese Bilder verursacht. In vielen dieser Länder gibt es keine funktionierenden Abfallwirtschaftssysteme, in denen am Ende die unverkaufte Ware gesammelt werden kann. Die landet einfach irgendwo. Aber der Sortierer hier in Deutschland hat Geld dafür bekommen, jeder Teilnehmer in der Kette hat Geld bekommen.

Vielleicht wäre es erst mal eine gute Lösung, wenn man dort nicht vorhandene Sammlungsstrukturen aufbauen würde, um Abfällen einen geordneten Weg zu geben. Aber das sind alles lineare Modelle, so richtig haben wir auch keine direkte Lösung. Natürlich ist es wichtig, dass sich jedes Unternehmen seiner ökologischen Verantwortung bewusst ist und so entsprechend handelt. Dann wären wir sicher bei diesem Thema einen Schritt weiter.

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